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Carlsen ist neuer Weltmeister!
22.11.2013

International

Carlsen ist neuer Weltmeister!

Das lang erwartete FIDE-Weltmeisterschafts-Match 2013 zwischen dem Titelverteidiger Viswanathan Anand (IND) und dem elostärksten Schachspieler der Welt, Magnus Carlsen (NOR), ging am 22. November 2013 nach zehn Runden vorzeitig zu Ende. Seit 9. November spielten die beiden Spieler in dem auf 12 Runden anberaumten Match – wer als erster 6½ Punkte erreicht ist Weltmeister – auf der Bühne des Ballsaals im Hyatt Regency Hotel in Chennai (bis 1996: Madras) um den begehrten Titel. Diese FIDE-WM, die zur Gänze vom indischen Gliedstaat Tamil Nadu gesponsert wurde, endete mit 6½ : 3½ Punkten für den Herausforderer. Alle Partien waren live auf der Website http://chennai2013fide.com mit Computeranalysen und Videokommentaren zu sehen. Durch eine High-Tech-Innovation konnten sie auch via Android und iPad apps. empfangen und mitverfolgt werden.

Endeten die ersten vier Partien alle jeweils mit einem Remis, ging Carlsen in der fünften Runde mit den weißen Steinen nach zähem Kampf erstmals gegen Anand in Führung. Durch einen fehlerhaften Zug, es war der 45. in dieser Partie, zog Anand den Turm, den er ziehen musste, setzte ihn aber aufs falsche Feld. Statt auf a1 den schutzlosen weißen a-Bauern anzugreifen, gab er Schach auf c1. Wenige Züge später stürmten zwei weiße Freibauern vor – ganz links und ganz rechts auf dem Brett. Der schwarze König und sein Turm, der letzte Bauer, sie konnten nichts mehr ausrichten. Nach 5 Stunden und 32 Minuten bzw. nach seinem 58. Zug gab Anand auf.

Mit der sechsten Runde und dem zweiten Sieg in Folge zog der Herausforderer aber dem Weltmeister davon. Der Norweger ist bekannt dafür, in einfachen, ja langweiligen Positionen zu voller Form aufzulaufen. Der Inder dagegen ist ein begnadeter Taktiker: je unübersichtlicher die Stellung, desto mehr fällt ihm ein. Die Partie entwickelte sich zunächst ganz ruhig, doch dann geschah Seltsames: Im 11. Zug hätte Anand den Läufer auf e6 abtauschen können, doch er vermied jede Schärfe. Anand vertraute stattdessen auf die Fesselung des schwarzen Königsspringers durch seinen Läufer auf g5. Carlsen fand indes ein entlastendes Manöver. Im 21. Zug tauschte Anand den Läufer ab, dann war gar nichts mehr los. Zwar rückte der Weltmeister im 23. Zug seine Dame nach g4, von wo aus sie den feindlichen König ins Visier nahm, aber es blieb ein harmloser Zug. Und jetzt gelang es Carlsen, die Partie in seine Lieblingsrichtung zu lenken: ins Harmlose. Die Damen verschwanden vom Brett, bald waren nur noch je ein Turm und ein paar Bauern da. Und nun schaute die Schachwelt gebannt zu, wie aus dem Nichts der Druck des Herausforderers wuchs. Carlsen erhöhte den Druck und Anand opferte einen Bauern. Später opferte er einen zweiten Bauern. Carlsen machte ungerührt weiter und seine Bauern rückten vor. Und im 60. Zug griff Anand fehl: er zog seinen Turm nach a4. Hätte er stattdessen den b-Bauern nach vorn geworfen, wäre es wohl noch ein Remis geworden, doch nun verliert er. Der Norweger war nicht zu stoppen und nach fünf Stunden hatte er auch diese Partie gewonnen.

Danach folgten Runde 7 und 8, die ebenfalls jeweils mit einem Remis endeten.

In der neunten Runde eröffnete Anand erstmals mit dem Doppelschritt des Damenbauern, 1. d4, Carlsen wählte die nimzoindische Verteidigung. Die Rollen waren klar verteilt: Weiß marschierte am Königsflügel auf, Schwarz hatte eine Bauernmehrheit auf der anderen Seite. Während Anand über seinen 23. Zug nachdachte, wurde klar, wie schwierig es tatsächlich war. Carlsen hatte seine ganze Verteidigung auf den weit vorgerückten b-Bauern aufgebaut. Nach 45 Minuten zog Anand endlich seine Dame. Dabei nahm er in Kauf, dass Carlsen einen seiner Bauern in eine zweite Dame verwandeln konnte. Nun griff also eine zweite schwarze Dame ins Geschehen ein und zwar sofort mit einem Schachgebot. Bei richtigem Spiel wäre nun ein Remis wahrscheinlich gewesen. Anand musste nun das Schach abwehren, indem er eine Figur schützend zwischen die fremde Amazone und den eigenen Monarchen zu ziehen hatte. Aber welche? Und dann passierte etwas Verhängnisvolles: Vishy zog den Springer, anstatt den Läufer. Carlsen sah es sofort. Er zog die Dame auf das einzige Feld, von dem aus sie – weil der Springer ihr den Weg nicht mehr versperrte – Anands Mattdrohung abwehren konnte. Anand reichte Carlsen die Hand – Aufgabe!

Nach der neunten Runde stand es somit 6 : 3 für Carlsen. Dem Herausforderer fehlte also nur noch ein Halbpunkt für den Titel.

In der zehnten Runde gelang es dem Titelverteidiger in einem sehr interessanten, riskanten und trickreichen Springerendspiel jedoch auch nicht, die Partie zu gewinnen. Carlsen opferte einen Springer und zwei neue Damen, denen allerdings nur eine kurze Lebensdauer beschieden war, erschienen auf dem Brett. Und so endete schließlich diese Partie mit drei Bauern gegen einen Springer remis. Carlsen hat damit den notwendigen Halbpunkt erreicht und den Weltmeistertitel in der Tasche. Das Preisgeld von umgerechnet knapp 1,7 Millionen Euro wird zwischen Gewinner und Verlierer im Verhältnis 60 : 40 aufgeteilt – ein kleiner Trost für Anand zum Titelverlust.

 

Die Siegespartien zum Nachspielen:

 

5. Partie: http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1737319

 

6. Partie: http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1737460

 

9. Partie: http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1737896

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