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Tan Zhongyi (CHN) gewinnt die Schach-WM der Frauen 2017
03.03.2017

International

Tan Zhongyi (CHN) gewinnt die Schach-WM der Frauen 2017


Die Schachweltmeisterschaft der Frauen wurde vom 10. Februar bis 5. März 2017 in der iranischen Hauptstadt Teheran als K.-o.-Turnier mit 63 Teilnehmerinnen ausgetragen. Das Turnier hätte ursprünglich im Oktober 2016 stattfinden sollen, wurde von der FIDE jedoch auf 2017 verschoben, weil kein Ausrichter gefunden werden konnte.

Mehrere teilnahmeberechtigte Spielerinnen traten aber nicht an, darunter die amtierende Weltmeisterin Hou Yifan aus China, ihre Vorgängerin Marija Musytschuk aus der Ukraine und Nasi Paikidse aus Georgien. Die Chinesin verweigerte ihre Teilnahme, weil sie unzufrieden ist mit dem Austragungsmodus, während die Ukrainerin und die Georgierin eine Teilnahme wegen des Kopftuchzwangs bei der WM ablehnten.

Die derzeitige Weltranglistenvierte Humpy Koneru aus Indien hat ihre Teilnahme ohne Angabe von Gründen abgesagt, während die mehrfache US-Meisterin Irina Krush ihre Absage mit einer Reisewarnung für Frauen in den Iran des US-Außenministeriums begründete. Die rumänische Schachspielerin Cristina-Adela Foişor (*1967, †2017), die sich für diese WM ebenfalls qualifiziert hatte, starb am 21. Jänner und wurde gemäß den FIDE-Regeln nicht ersetzt, weil die Paarungen schon feststanden.

Das Turnier wurde in sechs Runden ausgetragen, wobei in den Runden 1 bis 5 je zwei Spielerinnen zwei Partien gegeneinander spielten. Die Zeitkontrolle betrug 90 min für die ersten 40 Züge, dann 30 min für den Rest des Spiels plus 10 s Zeitgutschrift je Zug. Die weitere Vorgehensweise bei unentschiedenen Matches gemäß dem Austragungsmodus wird weiter unten geschildert, wo schon in der 1. Runde alle Modi ausgeschöpft werden mussten. In der 6. Runde wurden vier „lange“ Partien gespielt. Siegerin ist, wer zuerst 2,5 Punkt erreichte. Die Regeln für das Tiebreak entsprachen denen der ersten fünf Runden. Der Preisfonds betrug insgesamt 450 000 US-$, wobei die Teilnehmerinnen für die Aufbringung der Reisekosten, der Kosten für Unterkunft und Verpflegung selbst verantwortlich waren.

Die Frauenschachweltmeisterschaft 2017 wurde am 10. Februar im Espinas Palasthotel in Teheran von FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow offiziell eröffnet, an jenem Tag, an dem überall im Iran der Tag der Revolution gefeiert wird, der an die offizielle Absetzung von Schah Mohammed Resa Pahlewi im Jahre 1979 erinnert. Neben einer riesigen Anzahl an Spielerinnen, Beamten und Journalisten waren auch iranische und internationale Persönlichkeiten wie Igor Dodon, der Präsident Moldawiens, Lewan Jagarian, der russische Botschafter in Teheran und Dr. Masoud Soltanifar, der iranische Minister für Jugend und Sport wie auch Mitglieder des Islamischen Rates der Islamischen Republik Iran zur Eröffnungsfeier erschienen.

Zu Beginn der 1. Runde haben auf Ersuchen von FIDE-Vizepräsident Geoffrey Borg die Spielerinnen und alle anderen im Spielsaal anwesenden Personen eine Gedenkminute für Cristina-Adela Foişor abgehalten. Dann führte der Vorsitzende der iranischen Mobilcom-Gesellschaft, Vahid Sadoughi, den ersten Zug auf dem Spitzenbrett von Ju Wenjun aus. Schon im 1. Spiel der 1. Runde überraschte der Sieg von Mona Khaled (EGY)  über Nana Dsagnidse (GEO). Die wohl größte Überraschung brachte das Match Harika Dronavalli (IND) gegen Akter Liza Shamima (BAN). Die indische GM Harika (2539 Elo) schaffte es nicht, trotz der großen Elo-Differenz ihre bangalische Gegnerin, WIM Shamima (2077 Elo) in zwei Partien zu besiegen. Beide Partien endeten mit einem Remis, daher musste diese Runde im Tiebreak entschieden werden, was auch geschah und mit 1,5 : 0,5 Punkten für Harika endete.

In der 1. Runde gewannen die sechs Spielerinnen Ju Wenjun (CHN), Anna Musytschuk (UKR), Alexandra Kostenjuk (RUS), Antoaneta Stefanova (BUL), Nino Batsiaschwili (GEO) und Walentina Gunina (RUS) ihre Matches mit jeweils 2 : 0. Von den elf Doppelpartien Schnellschach (25 min/10 s) endeten zwei (Dzagnidze-Khaled und Bodnaruk-Hejazipour) ebenfalls remis, weshalb diese Teilnehmerinnen zwei weitere Doppelpartien (10 min/10 s) zu spielen hatten.

Da die Partie Bodnaruk-Hejazipour nochmals remis ausgegangen war, mussten die beiden noch zwei Partien Blitzschach (5 min/3 s) spielen, aber auch damit konnte keine Entscheidung herbeigeführt werden. Daher wurde schließlich die erste Runde mit einem Armageddon-Spiel beendet, welches die russische Spielerin Bodnaruk gegen ihre iranische Herausforderin Hejazipour gewinnen konnte. Bei dem Armageddon-Spiel wählte die Gewinnerin des Losentscheides, ob sie mit Weiß oder Schwarz spielen will. Weiß erhält fünf Minuten Bedenkzeit, Schwarz vier Minuten, ab dem 61. Zug gibt es drei Sekunden Zeitgutschrift pro Zug. Im Falle eines Unentschiedens hätte die Schwarzspielerin das Match gewonnen. Am meisten überrascht hat das Ausscheiden der in Vietnam geborenen GM Hoang Thanh Trang (HUN) aus der ersten Runde sowie das Aufsteigen der WGM Natalija Buksa (GEO) in die zweite Runde. Jede Verliererin der ersten Runde erhielt ein Preisgeld von 3.750 US-$.

Zu Beginn der 2. Runde war das Teilnehmerfeld durch das K.-o.-System bereits um die Hälfte auf 32 Teilnehmerinnen geschrumpft, wobei es den drei Spielerinnen Olga Girya (RUS), Nana Dsagnidse (GEO) und Ni Shiqun (CHN) gelang, ihre Matches mit 2 : 0 zu gewinnen. Neun Matches mussten durch Tiebreaks entschieden werden, wovon bei fünf Matches eine Entscheidung in den Doppelpartien Schnellschach (25 min/10 s) herbeigeführt werden konnte. Von den verbliebenen vier konnten zwei durch jeweils zwei weitere Doppelpartien (10 min/10 s) entschieden werden, während die Matches von Tan Zhongyi-Uschenina und von Batsiaschwili-Khurtsidse erst durch Armageddon-Spiele beendet werden konnten.

Dabei hatte die mit Weiß spielende frühere Weltmeisterin (2012/13) Anna Uschenina aus der Ukraine alle Chancen, scheiterte aber infolge einer „Must-win“-Situation an ihrer chinesischen Gegenspielerin Tan Zhongyi. Auch Nino Batsiaschwili, die mit zwei Mehrbauern ein absolut siegessicheres Endspiel hatte, konnte ihre Landsmännin Nino Khurtsidse nicht besiegen und wurde geschlagen. Für eine riesige Überraschung sorgte das Ausscheiden von Walentina Gunina schon nach dem 2. Spiel der 2. Runde, die ihre beiden Partien gegen die Chinesin Ni Shiqun verloren hatte, wie auch von Zhao Xue (CHN) nach dem 4. Spiel. Einigen Respekt musste man Pham Le Thao Nguyen (VIE) und Sopiko Guramischwili (GEO) zollen, die den Aufstieg in die dritte Runde geschafft haben. Jede der 16 Verliererinnen der zweiten Runde erhielt 5.500 US-$ an Preisgeld.

Die 3. Runde, das Achtelfinale, bestand nur noch aus 16 Spielerinnen. Im ersten Spiel der 3. Runde besiegten Nana Dsagnidse, Anna Musytschuk und Antoaneta Stefanova ihre Gegnerinnen, während die fünf anderen Spiele mit einem Remis endeten. Nach dem zweiten Spiel war Anna Musytschuk die einzige, die die 3. Runde mit 2 : 0 beenden konnte. Nana Dsagnidse und Antoaneta Stefanova genügte jeweils ein Remis im zweiten Spiel, um mit 1,5 : 0,5 Punkten in die nächste Runde aufzusteigen. Auch die 19-jährige Chinesin Ni Shiqun schaffte diesen Aufstieg nach einem Remis im ersten Spiel und mit einem Sieg in der zweiten Partie über die russische Vizeweltmeisterin von 2015, Natalija Pogonina. Vier Matches mussten im Tiebreak entschieden werden.

Auch die vier Doppelpartien im Schnellschach (25 min/10 s) brachten keine Entscheidung, daher waren noch vier Doppelpartien (10 min/10 s) zu spielen. Nach diesen Partien konnten auch Ju Wenjun, Alexandra Kostenjuk, Harika Dronavalli und Tan Zhongyi in die nächste Runde aufsteigen. Für jede der acht Verliererinnen der dritten Runde wurde ein Preisgeld in Höhe von 8.000 US-$ ausgelobt.

Mit nunmehr 8 Spielerinnen (drei Chinesinnen, einer Bulgarin, einer Georgierin, einer Inderin, einer Russin und einer Ukrainerin) startete man in die 4. Runde, das Viertelfinale, wobei der Aufstieg von Ni Shiqun (mit Startrang 38) in diese Runde doch etwas überraschte. Im ersten Spiel der 4. Runde besiegten Anna Musytschuk und Harika Dronavalli ihre Gegenspielerinnen, die beiden anderen Partien endeten remis. Im zweiten Spiel siegten Tan  Zhongyi und Alexandra Kostenjuk und schafften damit den Aufstieg, während Anna Musytschuk ein Remis genügte, um ins Halbfinale zu kommen.

Harika Dronavalli musste gegen Nana Dsagnidse ins Tiebreak, aus dem Harika als Siegerin hervorging. Für die topgesetzte Ju Wenjun ist diese Weltmeisterschaft damit genauso zu Ende wie auch für Antoaneta Stefanova, Ni Shiqun und für die im Tiebreak unterlegene Nana Dsagnidse. Trotzdem gibt es einen Trost, denn jede der vier Verliererinnen der vierten Runde erhielt ein Preisgeld von 12.000 US-$.

Für das Halbfinale, die 5. Runde, waren nur noch vier Spielerinnen qualifiziert: Anna Musytschuk (UKR), Alexandra Kostenjuk (RUS), Harika Dronavalli (IND) und Tan Zhongyi (CHN). Im Verlauf dieser Weltmeisterschaft wurden die Partien zunehmend spannender, die Spielerinnen sichtbar nervöser, je näher sie dem WM-Titel kamen, und die Luft wurde immer dünner.

Das erste Spiel Tan Zhongyi-Harika Dronavalli war zunächst ausgeglichen bis sich Harika mit 21. …Sxe5 entschloss, die Bauernstruktur zu ändern, wodurch Tan aber eine bessere Entfaltungsmöglichkeit auf der Königsseite bekam. Es schien, als wäre die indische Spielerin mit Schwarz imstande, die Position zu verteidigen, aber wahrscheinlich unterschätzte sie die Gefahr.

Der Chinesin gelang es nämlich, mit all ihren Figuren erfolgreich einen Angriff auf den gegnerischen König zu starten, worauf Harika im 44. Zug aufgab. Im ersten Spiel Alexandra Kostenjuk-Anna Musytschuk versuchte die Ukrainerin ihre russische Kontrahentin mit der Französischen Verteidigung zu überraschen, was aber nicht gut lief, weil die ehemalige Weltmeisterin (2008-10) vollkommen darauf eingestellt war. Der ungenaue Zug 10. …Dc7 ließ Weiß eine Initiative aus der Eröffnung gewinnen und nach 19. Sxa6 bekam Kostenjuk eine Position mit einem Mehrbauern. Nach den anfänglichen Problemen stellte sich heraus, dass ein Sieg von Weiß in Frage stand. Es war nicht möglich, eine unmenschliche Linie wie 43. Kg1!! . . . 44. De5!! mit Sieg zu finden, doch nach  43. Sd4 änderte sich der Charakter des Spiels als Schwarz anfing, den weißen König zu bedrohen.

Dennoch sah es aus, als würde Alexandra nichts riskieren, um dieses Spiel zu nicht verlieren. Aber nach 56. Se5? drehte sich der Spieß um. Anna antwortete sofort mit 56. …Sg5 und Alexandra sah sich plötzlich mit zwei Bedrohungen Txe5 mit Sf3 und Sh3+ konfrontiert, gegen die sie sich nicht mehr verteidigen konnte. Acht Züge später musste die frühere Weltmeisterin aufgeben. In einem Interview nach dem Spiel bezeichnete Anna Musytschuk ihren Sieg als „ein Wunder“.

Im Semifinalrückspiel verlor Alexandra Kostenjuk ihre Partie gegen Anna Musytschuk und schied aus der Frauenweltmeisterschaft aus. Harika Dronavalli feierte ein Comeback, indem sie den legendären Retourkampf gegen Tan Zhongyi nach 162 Zügen (!) gewinnen konnte.
Es schien, als hätte Alexandra Kostenjuk es nicht geschafft, sich von der vortägigen Niederlage zu erholen. In einer „Must-win“-Situation entschied sie sich nicht für einen Damentausch (7. …dxc6), sondern für 7. …bxc6 und endete nach 8. e5 Sg8 in einer schlechteren Position. Anna Musytschuk vergrößerte ihren Vorteil, gewann die Partie durch Aufgabe von Alexandra im 30. Zug und wurde somit die erste Finalistin dieser Schachweltmeisterschaft.

Harika Dronavalli hatte in ihrem Rückspiel gegen Tan Zhongyi, das zur längsten Partie dieses Turniers werden sollte, viele Chancen, dieses Spiel mehr als 100 Züge früher zu beenden. Sie hatte die Gelegenheit verpasst, anstatt von 57. Se7 mit 57. De7+! Kxc8 58. Ld3! ein erzwungenes Matt zu geben. Es ist schwer zu erklären, warum sich Harika entschloss, einige Züge später die Damen zu tauschen, aber anstatt die Position völlig zu gewinnen, brachte sie das Spiel in Remischancen für Schwarz. Dennoch gelang es der indischen Spielerin mit einem genauen Spiel, eine Position mit Springer und Läufer gegen den gegnerischen König zu erreichen. Nach sechs Stunden des Spiels schaffte es Harika endlich, Tan Zhongyi matt zu setzen. Da die beiden klassischen Partien ein unentschiedenes Ergebnis brachten, musste der endgültige Ausgang dieser Begegnung durch ein Tiebreak bestimmt werden.

Nach Harikas schnellem Sieg in der ersten Schnellschachpartie war es schwer vorstellbar, dass Tan Zhongyi es schaffen würde, den Punktestand auszugleichen, aber genau das passierte. Mit den weißen Steinen gewann die Chinesin die zweite Schnellschachpartie, die lange Zeit nach einem Remis aussah. Nach dem Punktegleichstand beim Schnellschach, gewann Tan Zhongyi auch das erste Spiel mit 10 min/ 10 s: Anstatt 54. …Df5  55. Sd3 Td8 wäre es für Schwarz besser gewesen 54. …Te7  55. Sd3 Sg6 zu ziehen, um die Position zu halten. Harika Dronavalli musste nach 60. De5+ aufgeben. Nun war Harika wieder in einer „Must-win“-Situation und musste das zweite Spiel für sich entscheiden. Nach 79 Zügen und der vor der Verwandlung ihres b-Bauern war ihr das auch gelungen und Schwarz musste aufgeben.

Wieder war der Punktestand ausgeglichen. Auch die folgenden zwei Blitzpartien endeten jeweils mit einem Remis, obwohl Harika gute Chancen gehabt hätte, beide zu gewinnen. Nun musste eine Armageddon-Partie gespielt werden, um eine Entscheidung herbeizuführen. Tan Zhongyi beschloss, mit den schwarzen Steinen zu spielen. Dieses Spiel war der letzte Vergleich in einem der dramatischsten Matches dieser Weltmeisterschaft. Harika hatte Gewinnpositionen, aber sie fand keinen genauen Weg, um ihre Gegnerin zu besiegen.

Letzten Endes verlor sie diese Partie aus Zeitnot. In einem Interview nach dem Spiel sagte Tan Zhongyi: „Meine Gegnerin tut mir sehr leid. Ich denke, dass sie gut spielte und dass sie wirklich gute Chancen bei den Blitzschachpartien hatte.“ Zum dritten Mal scheiterte Harika Dronavalli im Semifinale. So wie in Chanty-Mansijsk 2012 und wie in Sotschi 2015, war sie nahe daran, die Bühne für das WM-Finale zu betreten. Die beiden Verliererinnen der fünften Runde - Alexandra Kostenjuk und Harika Dronavalli - erhielten ein Preisgeld von jeweils 20.000 US-$.

Im Finale der Weltmeisterschaft der Frauen hatten seit 27. Februar 2017 Anna Musytschuk (UKR) und Tan Zhongyi (CHN) in einem Endmatch aus vier Spielen um die Schachkrone zu kämpfen.

Im ersten Finalspiel wählte die chinesische Spielerin mit Schwarz die ziemlich selten gespielte Rubinstein-Variante der französischen Verteidigung 1. e4 e6  2. d4 d5  3. Sc3 dxe4  4. Sxe4 Ld7, aber Anna Musytschuk spielte nicht die meist üblichen Gegenzüge, sondern bevorzugte ein solides Spiel mit 7. 0-0 und 8. Sed2. Nach einigem Abtauschen verwandelte Anna die Partie in ein Endspiel mit Dame und Springer gegen Dame und Läufer. Sie versuchte, die Schwächen von Schwarz in der Bauernstruktur auf der Königsseite auszunutzen, aber sie musste einsehen, dass Weiß nicht genug Ressourcen hatte, um eine Entscheidung herbeizuführen, und so endete die Partie nach 42 Zügen mit einem Remis.

Die zweite Finalpartie fand am 28. Februar exakt an Anna Musytschuks 27. Geburtstag statt. Anders als bei Magnus Carlsen, der seinen Weltmeistertitel an seinem Geburtstag vor drei Monaten gewonnen hatte, verlor Anna zum ersten Mal in dieser Weltmeisterschaft ein Spiel. Somit stand es danach 1,5 : 0,5 zugunsten von Tan. Eröffnet wurde mit einem Damengambit, Halbslawische Verteidigung, nach zehn Zügen waren die Damen bereits vom Brett und da Weiß mit Vorteil aus der Eröffnung gekommen war, sollte Schwarz im weiteren Verlauf des Spiels einen genauen Weg finden, um dies auszugleichen zu können. Laut Tan Zhongyi dachte die Chinesin, dass nach Annas dubiosen 12. …Sg4 die Position für Weiß besser wäre.

Die chinesische Spielerin vergrößerte ihren Stellungsvorteil mit Hilfe ihrer weißen Steine und der schlechten Position des schwarzen Springers, der einen weiten Weg hätte machen müssen, um ins Spiel zurückzukommen. Mit 24. …Kd7 entschloss sich Anna, den Bauern f7 zu opfern, um ihre Steine zu aktivieren, scheiterte aber später daran, zähen Widerstand zu leisten als sie eine Chance dazu bekam. Anstatt des Zuges 28. h4 hätte Weiß besser 28. Ke4 spielen können, um den Bauern auf e5 zu decken und nach 28. …Tf8  29. Sd6 Tf4  30. Ke3. – Aber nach 28. h4 schlug Anna auch nicht diesen Bauern (stattdessen zog sie 28. …Tf8) 28. …Sxh4  29. Th1 Sg2+  30. Kf2 Ke7  31. Sd6 Sf4  32. Txh7 Sd3+  33. Kg3 Sxe5  34. Se4 und vergab somit Überlebenschancen. Nach 56 Zügen gab die ukrainische Spielerin auf.

Im dritten Finalspiel gelang es Anna Musytschuk (mit Weiß) durch ihren Sieg, den Punktestand wieder auszugleichen. Die Spielerinnen wiederholten ihre Eröffnung vom ersten Finalspiel – Tan Zhongyi spielte wieder die französische Verteidigung, wich aber bereits im 3. Zug von der vorherigen Begegnung ab. Dies überraschte jedoch Anna Musytschuk nicht, die „jeden möglichen Zug“ von Tan erwartet hatte. Die ukrainische Spielerin erinnerte sich an ihre Vorbereitungen zu Hause und fand, dass sie bei dieser Art von Stellungen erfahrener sei als ihre Gegnerin. Nach 14. Lxh7+ fiel die Position von Schwarz auseinander. Dessen ungeachtet, wählte Anna auch nicht den genauesten Weg, um das Spiel zu gewinnen und nach 19. Ld2 (19. Dd6 oder 19. De2 wären bessere Züge gewesen) hätte Tan Zhongyi die weiße Position kompliziert machen können, wenn sie 19. …Db5 oder 19. …Db6 oder 19. …Sd5 gespielt hätte. Der chinesischen Spielerin blieb es jedoch versagt, diese Züge zu finden, und nach 19. …Tb8  20. Dd6 gab es keinen Zweifel mehr über den Ausgang des Spiels. Nach 32 Zügen gab Schwarz auf.

Die vierte klassische Finalpartie begann mit einer Slawischer Verteidigung, wurde aber später in eine Position gebracht, welche für eine Katalanische Eröffnung charakteristisch ist. Beide Spielerinnen waren höchstwahrscheinlich darauf bedacht, kein zu großes Risiko im letzten klassischen Spiel dieser Frauenweltmeisterschaft einzugehen und nach 24 Zügen und 2½ Stunden Spielzeit endete dieses Spiel mit einem Remis. Da auch diese vier klassischen Finalpartien mit einem Punktegleichstand beendet wurden, musste eine Entscheidung im Tiebreak herbeigeführt werden. Anna Musytschuk hat bisher in dieser WM keine Tiebreaks gespielt, weil sie alle vorherigen klassischen Matches gewonnen hat, während ihre Gegnerin Tan Zhongyi schon in drei Tiebreaks spielen musste, einschließlich zwei Armageddon-Partien gegen Anna Uschenina und Harika Dronavalli.

Der Tiebreak brachte nach zwei Spielen mit verkürzter Bedenkzeit (25 min/10 s) die Entscheidung: Tan Zhongyi aus China besiegte ihre Gegnerin Anna Musytschuk in der zweiten Schnellschachpartie. Im ersten Schnellschachspiel hatte Anna Musytschuk gute Chancen, die Partie durch ein besseres Endspiel zu gewinnen. Sie hätte mehr Druck auf ihre Gegnerin ausüben müssen, ließ die chinesische Spielerin aber entkommen.

Hatte die erste Schnellschachpartie (Russische [Petrow] Verteidigung) noch 61 Züge gebraucht, um mit einem Remis zu enden, kam das Ende der zweiten Partie (Slawische Verteidigung) und damit auch das Ende dieser Weltmeisterschaft der Frauen schon nach 42 Zügen durch einen Sieg von Tan Zhongyi über Anna Musytschuk. Im zweiten Spiel war es Tan Zhongyi, die bessere Chancen hatte, aber Anna Musytschuk hätte ein Gegenspiel aufbauen müssen, welches am wahrscheinlichsten ihre Chancen sichern würde, das Gleichgewicht zu halten. 39. …Kh6?? Es schien, als könne Anna Musytschuk den enormen Druck nicht mehr ertragen. Nach den nächsten Zügen 40. g4 f6  41. Dxf6 Ta5 und 42. h4 gab Schwarz auf.

Tan Zhongyi ist die 16. Schachweltmeisterin und die 5. chinesische Spielerin geworden, die den höchsten Titel im Schach bisher gewonnen hat.

Anna Musytschuk, die ältere Schwester der früheren Schachweltmeisterin (2015/16) Marija Musitschuk, hatte in dieser WM 16 Partien mit insgesamt 689 Zügen gespielt. Als Vizeweltmeisterin erhielt sie für ihre Teilnahme ein Preisgeld von 30.000 US-$. Zum Vergleich: Die 25-jährige neue Weltmeisterin Tan Zhongyi spielte in dieser WM, bedingt durch das Spielen in vier Tiebreaks, 34 Partien mit insgesamt 1986 Zügen. Als Weltmeisterin erhielt sie außer dem Titel ein Preisgeld von 60.000 US-$.

Tan Zhongyi gehörte mit Startrang 9 zu den 64 (63) Teilnehmerinnen dieser Schachweltmeisterschaft der Frauen. Sie besiegte die US-Amerikanerin Sabina-Francesca Foişor mit 1,5 . 0,5 Punkten, die frühere ukrainische Schachweltmeisterin (2012/13) Anna Uschenina mit 4,5 : 4,5 (Sieg von Schwarz im Armageddon-Spiel), die Inderin Padmini Rout 3,5 : 2,5 und im Viertelfinale die topgesetzte Chinesin Ju Wenjun mit 1,5 : 0,5. Nach einem knappen Halbfinalerfolg mit 5 : 4 (wieder mit einem Sieg von Schwarz im Armageddon-Spiel) über Dronavalli Harika erreichte sie das Finale gegen die Ukrainerin Anna Musytschuk und gewann mit 3,5 : 2,5 Punkten die Weltmeisterschaft 2017.

Tan Zhongyi löst damit ihre Landsmännin, die bisherige dreimalige Weltmeisterin (2010-12, 2013-15 und 2016/17) Hou Yifan, ab, die im Mai 2016 bekanntgegeben hatte, dass sie nicht weiter an der FIDE-Grand-Prix-Serie der Frauen, bei der die Herausforderin für diesen WM-Kampf ermittelt wurde, teilnehmen werde, weil sie mit dem Austragungsmodus unzufrieden sei und einen Modus ähnlich dem der offenen Schachweltmeisterschaft bevorzugen würde. Seit Februar 2017 nimmt Hou nun als einzige Frau an der offenen FIDE-Grand-Prix-Serie teil. In der ersten Etappe landete sie dabei mit 4 Brettpunkten (von 9 möglichen) auf dem 14. Platz (von 18) und erhielt dafür 7 Grand-Prix-Punkte.

 

Zur offiziellen Homepage:

mihu / 03.03.2017 / 17:30 Uhr (MEZ)

 

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